In Potsdam - Louise Aston

Vom Dome hallen Glockenklänge -
Stille Andacht überall,
Gläubig singt des Volkes Menge
Zu der Orgel hellem Schall;
Dort in einsamer Kapelle
An des Altars heilger Schwelle
Knie'n die Allerhöchsten Sünder,
Gottes auserwählte Kinder.

Was sie beten, was sie flehen?
Ihre bleiche Lippe spricht:
„Jetzt, da wir am Abgrund stehen,
Jetzt - nur jetzt verlaß uns nicht!
Unser Purpur will erbleichen,
Unsre Macht zerfällt in Scherben:
Laß mit Blute sonder Gleichen
Uns den Purpur wieder färben!“

Mögen sie zum Himmel beten
Und mit neu gestärktem Mut
Eines Volkes Recht zertreten,
Pochend auf des Höchsten Hut:
Taub und schwach sind ihre Götter,
Taugen nur zum Spiel der Spötter;
Doch der Geist, der ewig freie,
Gibt dem Volk die Siegesweihe!