Abendphantasie - Friederike Brun

Süßes Bild,
Schwebst mir vor mit leisem Sehnen!
Klagst mit wehmutsvollen Tränen,
Tief in Trauerflor verhüllt.

Wonnezeit!
Ach! Umstrahlt von Frühlingsmilde,
Froh in Tempes Lichtgefilde,
Lebt' ich dir, o Zärtlichkeit.

Tränen fließt!
Tauend, wie die kleine Quelle
Rieselnd, perlend, Well' an Welle
Über Blumen sich ergießt.

Alles schweigt!
Kaum, daß in des Westes Flüstern,
Unterm Schattendach des düstern
Tannenhains, der Halm sich beugt.

Holder Traum!
Fliehe nicht auf Rosenflügeln;
Weile an des Baches Spiegeln,
Suche nicht des Äthers Raum.

Es entschwand! ...
So entfloh vor Psyches Kusse
Amor, da mit holdem Gruße
Sie: Geliebter ihn genannt.