Frühlingslied - Franz von Dingelstedt

Das ist ein seltsam Leben
Durch Berg und Wald und Tal,
Ein Klingen und ein Weben,
Ein Duften überall.

Ihr fühlt Euch mild umwehet,
Es keimet fern und nah,
Und eh' Ihr's Euch versehet,
Ist auch der Frühling da.

Das ist ein Flieh'n und Finden,
Ein Sehnen ohne Ziel,
Ein Scheiden und Verbinden,
Ein kindlich, sinnig Spiel;

Der Kopf ist Euch verdrehet,
Der Sinn ist Euch getrübt,
Und eh' Ihr's Euch gestehet,
Da seid Ihr schon verliebt!

Das ist ein Glüh'n und Drängen,
Ein Wogen ohne Ruh',
Es will die Brust zersprengen
Und drückt sie dennoch zu;

Und wenn es dann im Stillen
Zum Tages-Lichte bricht,
Dann hat sich wider Willen
Entfaltet ein Gedicht.

O Lenz und Lieb' im Herzen,
Und Lieder in der Brust:
Wo gäb' es süß're Schmerzen
Und schmerzlichere Lust?