Mondscheingemälde - Christian Ludwig Neuffer

Des Abends stille Feier,
Die Ruhe der Natur,
Senkt ihren kühlen Schleier
Schon auf die düstre Flur.
Des Waldes Wipfel beben
Im letzten Sonnenstrahl,
Und lange Schatten schweben
Vom Hochgebirg ins Tal.

Die Vesperglocken läuten
Mit weitgehörtem Ton;
Der Fischer Kähne gleiten
Zum sichern Ufer schon;
Durch Baumgewinde schimmert
Des Landmanns fernes Licht;
Das weite Feld verflimmert,
Gleich einem Traumgesicht.

In Westen säumt den Äther
Ein heller Kreis mit Glut;
Stets feuriger und röter
Entwogt die Strahlenflut.
Nun wallt mit stiller Milde
Aus glanzumfloßnem Tor,
Gleich einem Flammenschilde,
Der volle Mond hervor.

Nun schweift und strahlt beflügelt
Durchs ganze Tal sein Blick;
Aus allen Quellen spiegelt
Sein Antlitz sich zurück.
Er wirft gezackte Pfeile
In's Flußgewog' und ruht
Wie eine Feuersäule
Auf stillbewegter Flut.

Gesträuch und Licht verschmelzen
Sich dort am Felskristall;
Wie fließend Silber wälzen
Die Wellen sich zum Fall.
Dort, wo das Münster dunkelt,
Im weitgesprengten Chor,
Durch hohe Fenster, funkelt
Gebrochner Glanz hervor.

Von tausend Perlen leuchtet
Die schimmervolle Au,
Im stillen Schoß befeuchtet
Vom späten Abendtau.
Gleich Heldenlanzen blitzen
In diesem Strahlenmeer
Die hohen Kirchturmspitzen
Der Dörfer weit umher.

Ein lichter Flor umwebet
Den ernsten Eichenhain,
Auf seinem Haupte schwebet
Ein sanfter Heil'genschein.
Der Burg bejahrte Scheiben
Schmückt vielgefärbter Glanz,
Und Irrwischlichter treiben
Im Moor den Gaukeltanz.

Die Birkenstämme glühen
Im hellen Nebelduft;
Beglänzte Wölkchen ziehen
Im blauen Grund der Luft.
Selenens Herrschaft feiert
Der Sterne blässer Licht;
Ein matter Glanz umschleiert
Des Himmels Angesicht.

Die weite Gegend schweiget,
Und lauscht in Busch und Rohr;
Von Lethes Ufern steiget
Der Geister Still' empor.
Seltsame Bilder schwanken
Und fliehen unerkannt.
Es schweben die Gedanken
In einem Zauberland.

Von Sympathie unschlungen
Durchwandern wir jetzt stumm
Und in uns selbst gedrungen
Dianens Heiligtum;
Wie in Elysens Gängen,
Auf mildbeglänzten Höh'n,
Bei festlichen Gesängen
Die frommen Manen geh'n.