Die klagende Sulamith - Benjamin Neukirch
Ihr angenehmen Wälder,
Hört mein betrübtes Herz!
Ihr ährenreiche Felder,
Stillt meiner Seelen Schmerz!
Mein Luststern ist entwichen,
Mein Freund verlässet mich;
Mein Wohlsein ist verstrichen,
Mein Leben endet sich.
Ach! sagt mir doch, ihr Höhen:
Ob ihr ihn nicht vermißt?
Ach! sagt mir doch, ihr Seen:
Wo er geblieben ist?
Sein Haupt ist wie die Spitze,
Die Memphis aufgericht;
Sein Auge wie die Blitze,
Doch voller Sonnenlicht.
Sein Wort, wenn es sich reget,
Ist lauter Liebesleim.
Wenn sich sein Mund beweget,
So spricht er Honigseim.
Wenn seine Lippen grüßen,
Dann schwindet alles Leid;
Wen seine Lippen küssen,
Der ist voll Fröhlichkeit.
So war vor wenig Tagen
Mein Freund noch anzusehn.
Ach! soll ich denn nicht klagen,
Daß mir zu viel geschehn?
Er fand mich auf der Gassen,
Voll Welt und Eigensinn;
Nun will er mich verlassen,
Da ich ihm günstig bin.
Ach! sucht ihn doch, ihr Töchter!
Ihr Töchter Solyme!
Ach! sucht ihn doch, ihr Wächter!
Eh ich für Angst vergeh.
Ich kann es nicht verhehlen
,
Er ist mein Herzenspol,
Ohn ihn ist meiner Seelen
Auch nicht im Himmel wohl.