An ein Veilchen - Christian Adolph Overbeck

Blühe, liebes Veilchen,
Das ich selbst erzog,
Blühe noch ein Weilchen!
Werde schöner noch!
Weißt du was ich denke?
Lotten zum Geschenke
Pflück' ich ehstens dich.
Blümchen, freue dich!

Lotte, mußt du wissen,
Ist mein liebes Kind.
Sollt' ich Lotten missen,
Weinet ich mich blind.
Lotte hat vor allen
Kindern mir gefallen,
Die ich je gesehn;
Das muß ich gestehn.

Solch ein süßes Mädchen
Gibt es weiter nicht.
Zwar hat Nachbars Gretchen
Auch ein hübsch Gesicht;
Doch muß ich's nur sagen,
Würde man mich fragen:
Möchtst du Gretchen frein?
Sicher sagt' ich Nein!

Aber da die Kleine
Liegt mir in dem Sinn.
Anders nehm' ich keine,
Wenn ich älter bin.
O die süße Lotte!
Nächst dem lieben Gotte
Hab' ich doch allhie
Nichts so lieb als sie.

Manche, die mich kennen,
Spotten dann und wann;
Wenn sie Lotte nennen,
Sehen sie mich an.
Tut es nur, ihr Leutchen!
Lotte bleibt mein Bräutchen.
Künftig sollt ihr schön
Mit zur Hochzeit gehn.

Aber du, mein Veilchen,
Sollst für Lotte sein.
Blühe noch ein Weilchen
Hier im Sonnenschein!
Bald will ich dich pflücken,
Ihre Brust zu schmücken.
O dann küßt sie dich;
Und vielleicht auch mich!