Herbstbitten - Emilie Pflücker
Reißt Ihr Stürme, zerrt Ihr Wetter
Der Erinn'rung treue Blätter
Mir vom Lebensbaume ab;
Mag er noch so fest sie halten,
Jagt mit rauher Macht Gewalten
Fort sie in ein tiefes Grab;
Doch verschont die sanft-gebleichten,
Die Euch fröhlich-zitternd beichten,
Was dem Kind einst Freude gab.
Tröpfelt mir, Ihr Herbstesnächte,
Euren Tau, als frische, echte
Lind'rung, auf das heiße Herz;
Kühlet seiner Wunden Gluten,
Die wie Lavaströme fluten,
Laßt erstarren sie zu Erz;
Doch sein Heiligstes verschonet,
Schont der Liebe, die drin wohnet,
Denn die trägt es himmelwärts.
Wallt Ihr Nebel, dicht umhüllet
Jedes Bild, das schreckhaft füllet
Mir das Hirn, wie fieberkrank;
Aber Urquell Du der Geister,
Milder, schöpferischer Meister,
Wenn der Schleier niedersank:
Reiche Du mir, zum Vergessen,
Gütiger, scheint's auch vermessen,
Einen Lethe-Labetrank!