Kind und Sonne - Emilie Pflücker
Gold'ne Sonnenstrahlen haschen
Wollt' ein Kind im Unverstand,
Tappte mit den kleinen raschen
Händchen lachend nach der Wand.
Doch vergebens war sein Mühen,
Stets blieb leer die kleine Hand,
Stets zurück das leichte Glühen
Durch die Fingerchen sich wand.
Da verzog es, ach, das Mäulchen
Schmollend und dem Weinen nah,
Sann dann noch ein kleines Weilchen
Und sprach flehend zur Mama:
"Fang' mir doch die gold'nen Streifen
Bitte, bitte, einmal ein,
Hänschen kann sie ja nicht greifen,
Seine Hände sind zu klein!"
Und Mama sie nahm geschwinde
Ihren Liebling in den Arm,
Strich das Lockenhaar dem Kinde,
Küßte ihm das Mündchen warm.
Sprach darauf: "Erhaschen nimmer
Läßt sich gold'nes Sonnenlicht,
Köstlich ist sein Glanz und Schimmer,
Doch ein "Spielzeug" ist es nicht.
Sonnengold und Glück sie lassen
fangen nicht, noch haschen sich,
Möcht' ja beide sonst erfassen
Gleich, mein Herzenskind, für Dich!"
