Frühlingsahnen - Margarethe Pilgram-Diehl
Wißt ihr, was es bedeutet,
Wenn lauter spricht der Quell,
Und von den Bergen gleitet
Der Bach so jugendschnell?
Wenn aus der weißen Hülle
Schneeglöckchen lugt heraus,
Und duft'ger Reben Fülle
Umspinnt des Winzers Haus?
Wenn in des Mooses Decke
Der Tau die Perlen stickt,
Verschämt aus dem Verstecke
Das erste Veilchen blickt?
Wenn weiche Lüfte wecken
Träumender Blüten Pracht,
An zartbelaubten Hecken
Dornröschen hold erwacht?
Wenn tiefer blauen die Berge,
Umsponnen von Sonnenduft,
Und Jubelgesang der Lerche
Durchbebt die goldne Luft?
Wenn zittern im Auge Tränen,
Gelockt von süßem Schmerz,
Ein unnennbares Sehnen
Beschleicht das weiche Herz?
Wenn Sehnsuchtsflügel heben
Die Seele weit empor, -
Beginnet neues Leben,
Der Frühling bricht hervor!
Das ist's, was es bedeutet,
Wenn lauer weht die Luft,
Sich um die Erde breitet
Wie rosiger Frühlingsduft.
