Die Tanne - Luise von Plönnies
Tanne, dunkle Tanne!
Wenn rings im Maienlicht
Die Bäume alle blühen,
In Duft und Schimmer glühen,
Schmückt dich der Frühling nicht.
Du neigst die dunkeln Zweige
Und träumst von künft'ger Pracht,
Wenn dich mit Silberflimmer,
Mit Gold und Kerzenschimmer
Verklärt die heil'ge Nacht.
O Tanne, dunkle Tanne!
Dann lauschest du froh und bang;
Du hörst die Glocken läuten,
Du weißt, was sie bedeuten,
Und zitterst bei dem Klang.
O Tanne, dunkle Tanne!
Dann ist dein Lenz erwacht,
Plötzlich aus Abenddunkeln
Sieht man dich herrlich funkeln
In wunderbarer Pracht.
O Tanne, helle Tanne!
Welch reicher Frühlingstraum,
Wenn herein die Kinder dringen
Und jubelnd dich umringen,
Den hellen Weihnachtsbaum.
Doch dann, o helle Tanne!
Zieht's von der lichten Pracht
Zur Tanne mich, der dunkeln,
Wo kalt die Sterne funkeln
Hoch über der Grabesnacht.
Zu dir, der lieben Tanne,
Dem dunkeln Weihnachtsbaum,
Der sich dem Hügel weihte,
Wo meine Kinder beide
Verträumen den Weihnachtstraum!
