Beim Christbaum - Alma Thiele
Du hörst den Ölbaum rauschen,
Es lauscht Gethsemane.
Die Lüfte Seufzer tauschen,
Es klingt wie banges Weh.
Der Ölbaum neigt mit Trauern
Die Zweige tief herab,
Als ob er ahnt' voll Schauern
Des Reinsten Tod und Grab.
Es ringt bis zum Ermatten
In heißer Seelenqual
Ein Mann in seinem Schatten
Voll Schmerzen ohne Zahl.
Du hörst im deutschen Walde
Der Eiche schweren Fall;
Es dröhnt bis an die Halde
Des scharfen Beiles Hall.
Donar ist mit gesunken;
Es nahm ihm die Gewalt,
Der bittres Leid getrunken,
Am Ölbaum die Gestalt.
Und nun, welch Glanz hienieden!
Mit heller Kerzenpracht
Strahlt uns die Tanne Frieden
In stiller, heil'ger Nacht.
Und unter heil'gen Schauern
Wird's neu mir heut bewußt,
Warum der Ölbaum trauern,
Die Eiche fallen mußt'.
