Lied der Liebe in die Heimat - Wilhelm Waiblinger

Ach warum in dieser Ferne,
Süßes Herz, so weit von dir?
Alle Sonnen, alle Sterne,
Öffnen ihre Augen mir,
Nur die schönsten blauen Strahlen,
Nur das reinste tiefste Licht,
Drin sich Erd' und Himmel mahlen,
Nur dein treues Auge nicht.

Ja ich seh' in wilden Lauben,
Über Bergen, über Seen,
Kind voll Unschuld und voll Glauben,
Dich in frommer Stille gehn.
Um die bleichen feuchten Wangen
Spielt die frische Abendluft,
Und es steigt dein zart Verlangen
Himmelwärts wie Blumenduft.

Trän' an Träne seh' ich rinnen
Tief aus deines Auges Nacht,
Und mit glühend heißen Sinnen
Hängst du an der Sterne Pracht -
O mein Kind, in jenen Räumen
Suchst du den Geliebten schon,
Und so früh den schönen Träumen
Spräche das Verhängnis Hohn?

Nein, dem liebenden Gemüte
Sind sie schmerzlich sanfter Trost!
Nach dem Winter kommt die Blüte,
Die ein neuer West umkost.
Bei den heimatlichen Auen,
Bei der Burgruine Bild,
Da wo Aug' und Blumen tauen,
Mädchen, sei dein Weh gestillt.

Was du weinend mir gegeben,
All' dein himmlisch Heiligtum,
War ein Kuß fürs Erdenleben,
War es für Elysium.
Mein ist dein verschämtes Zagen,
Mein die jungfräuliche Scheu,
Konntest du so mutig wagen,
Liebes Herz, so bleibe treu.